These, Hypothese, Prothese - 1996

Im Vokabular unserer christlichen Ikonographie und Glaubenstradition gibt es Elemente, die mir zum Aufzeigen und gleichzeitig kritischen Hinterfragen gewisser Formen unserer Anschauung besonders geeignet erscheinen. In dieser Installation versuche ich assoziativ drei Ebenen gegeneinander auszuspielen, um die Krücken- resp. Prothesenhaftigkeit unserer verfestigten Weltanschauung zu verdeutlichen:

  • eine thetische Ebene: (1+1=1; der Hang zur Mythenbildung durch eine mathematische Formel persifliert) , es gibt keine wahre Trennung von sog. wissenschaftlichem Denken und Glauben.
  • eine empirisch-pragmatische Ebene: das medizinische Faktum des Verlustes eines Körperteils und dessen prothetischer Ersatz
  • eine hypothetische Ebene: der Glaube ( hier: an die Auferstehung, an die Verheissung der Auflösung der leib-seelischen Dualität).

Mit dem christlichen, ikonographischen Formeninventar ist folgendes gemeint:

  • Reliquien von Heiligen; die Orte ihrer Aufbewahrung (Gefässe, Schreine, Särge, etc.) und die Arten ihrer "Zubereitung", (Mumifizierung, Einbalsamierung, Nachbildung in Wachs, etc.).
  • die Kreuzpose Jesu (hier im pars pro toto)
  • der offene und leere Sarg (die zurückgebliebene Hülle eines metamorphierten, sprich auferstandenen Leibes)
  • die aufgehängte Krücke, rsp. die überflüssig gewordenen Prothese, da das Wunder der Heilung eingetreten ist.

Rona, den 8.Sept. 96